Im Kölner Severinsviertel gibt es Streit um Abgaben, die hauptsächlich den Hauseigentümern und Geschäftsleuten zugute kommen
Erschienen im Kölner Stadt-Anzeiger
Wer soll für die Weihnachtsbeleuchtung auf der Severinstraße zahlen? Nur die, die unmittelbar davon profitieren, findet Rüdiger Jungbluth. Er hat ein Haus auf der Einkaufsstraße geerbt und gehört damit zu den Eigentümern, die aufgrund eines Ratsbeschlusses die Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) für die Severinstraße finanzieren müssen. Mit ihr soll die Einkaufsstraße gestärkt werden. Knapp 300.000 Euro sammelt die Stadt dafür in den nächsten drei Jahren von den Eigentümern ein. Dagegen hat Jungbluth nun Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.
Er argumentiert, er könne keinen Nutzen von der ISG haben, da er sein Haus selbst bewohne und außerdem das Ladenlokal im Erdgeschoss nicht als solches vermieten könne. Von der Weihnachtsbeleuchtung etwa habe er deshalb keinen Vorteil. Andere geplante Maßnahmen wie die Begrünung oder die Reinigung der Straße seien öffentliche Aufgaben, die anderswo mit Steuergeldern finanziert würden.
Die Stadt erwidert, Jungbluth werde als Hauseigentümer sehr wohl von der erhofften Aufwertung der Straße profitieren. Diesen Streit müssen nun die Richter klären. Der Kläger, der als Journalist für eine große Wochenzeitung arbeitet, hält das Instrument insgesamt für kontraproduktiv. Er befürchtet, dass sich die anderen Eigentümer das Geld für die ISG von ihren Mietern über die Betriebskosten wiederholen: „Die Stadt treibt die Warmmieten in die Höhe und schadet damit den dort lebenden Menschen.“
Beiträge für die ISG müssen zunächst nur Immobilien- und Grundstückseigentümer zahlen. Unbestritten ist, dass es grundsätzlich möglich ist, die Kosten den Mietern, darunter auch den Wohnungsmietern, in Rechnung zu stellen. Die Stadt weist auf ihrer Internetseite darauf hin. Ausschlaggebend sei aber die genaue Ausgestaltung des Mietvertrags, heißt es dort weiter. Jungbluth vermutet, dass viele Vermieter dennoch versuchen werden, die Kosten an ihre Mieter weiterzureichen. In einem offenen Brief hat er sich deshalb an seine Nachbarn im Viertel gewandt. Zumindest bei den anderen Hauseigentümern und den Händlern hat er sich damit keine Freunde gemacht.
Wie viele Mieter nun tatsächlich betroffen sein könnten, ist unklar. „Öffentliche Lasten wie die Grundsteuer werden auf die Mieter umgelegt. Das ist in unseren Standard-Verträgen so üblich“, sagt Andreas Geyer, Leiter der Rechtsabteilung des Haus- und Grundbesitzervereins. Der ISG-Beitrag wird im Landesgesetz, das der Kölner Satzung zugrunde liegt, als eine solche „öffentliche Last“ bestimmt.
Doch das allein reicht möglicherweise nicht aus. Andreas Kirchner vom Kölner Mieterverein sieht mehrere Probleme. Welcher Anteil jeweils auf die Wohnungs- und Gewerbemieter entfallen würde, könne nicht ohne weiteres identifiziert werden. Für Verwaltungskosten – knapp ein Drittel des Budgets soll dafür verwendet werden – sei das Abwälzen auf die Mieter ausgeschlossen. Und auch grundsätzlich unterscheide sich die Abgabe von der Grundsteuer: Sie können unter Umständen als Instandhaltungsmaßnahme betrachtet werden. „Wir gehen davon aus, dass die Beiträge nicht umlagefähig sind“, so der Mietrechtsexperte.
Thorsten Fröhlich, der ein Geschäft für Kunstdrucke und Bilderrahmen auf der Severinstraße betreibt, ist zum Vorsitzenden der ISG gewählt worden und engagiert sich seit Jahren für die Einkaufsstraße. Er ist sicher, dass nur die wenigsten Eigentümer ihre Beiträge umlegen werden. Grundsätzlich hält er das für gerechtfertigt. „Auch die Mieter haben etwas von der Attraktivierung der Einkaufsstraße“, sagt Fröhlich. Er nennt Beispiele: kostenlose Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen, die Begrünung der Straße und die Dienste des Veedelshausmeisters, der seit einigen Wochen nach dem Rechten sieht.
Rüdiger Jungbluth nennt dagegen einige andere Beispiele, die in erster Linie den Einzelhändlern und Hauseigentümern helfen: Eine Marketingkampagne „Shoppen im Severinsviertel“, eine Beratung für Hauseigentümer und eben die Anschaffung der Weihnachtsbeleuchtung.
Jungbluths Klage könnte nun zu einer der ersten Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema führen. Sollten auf den Betriebskostenabrechnungen für das abgelaufene Jahr Aufwendungen für die ISG im Severinsviertel auftauchen, könnten weitere Verfahren folgen.
„Die Stadt treibt die Warmmieten in die Höhe und schadet damit den dort lebenden Menschen.“
Rüdiger Jungsbluth
Alle Eigentümer müssen zahlen
Um die Severinstraße nach dem Einsturz des Stadtarchivs und den schweren Jahren des U-Bahn-Baus zu fördern, hat der Stadtrat Ende 2017 eine Satzung erlassen. Sie ist die rechtliche Grundlage für eine gesetzliche Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG), die erste ihrer Art in Köln.
Das Prinzip ist einfach: Alle Haus- und Grundstückseigentümer in einem festgelegten Bereich müssen eine Abgabe zahlen. Die Stadt leitet das Geld, abzüglich einer Bearbeitungsgebühr, an die ISG weiter. Der Vorstand setzt damit das Konzept um, das dem Antrag und dem folgenden Ratsbeschluss beilag. So soll verhindert werden, dass nur einige wenige Geschäftsleute finanzieren, wovon Händler und Eigentümer in der ganzen Straße profitieren. Vorbild sind die Business Improvement Districts in den USA oder Kanada. Theoretisch können auch Mieter Mitglieder der ISG werden. (phh)